Mögliche Zukünfte -
Konkrete Utopie

 

 

Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht;
Sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.
(Seneca)

 

Immer ---
Aufruf: Auf der Suche nach Utopien...
--- wieder!!!

 

 

Rechts:
Oe-Punkte Herbst 2001
zum Thema
UTOPIEN

Ein Leserbrief zu diesem Heft

 

 

  • Was ist eine konkrete Utopie?
  • Utopien im allerweitesten Sinne sind alle rationell verfaßten Konzepte einer anderen (schöneren oder schlechteren) Welt (Pfetsch, S. 4). Aber auch die Darstellungen einer schlechteren Welt (Anti-Utopien, Dystopien) dienen wenigstens indirekt der Kritik des Vorhandenen oder Befürchteten - zielen also auf eine Verbesserung. In diesem Sinne sind Utopien "subjektiv gestaltete Zukunftsentwürfe, die im Ganzen oder im Detail eine wünschbare zukünftige Gesellschaft skizzieren" (Schwendter, S. 19). Sie müssen von uns - gegen den Zeitgeist der Horrorszenarien - selbst neu gefunden werden. Utopische Ziele sind vor allem jene, die im Augenblick nicht zu erreichen sind, weil sie den gegebenen Trends nicht entsprechen, sondern entgegenstehen.

    Es geht uns aber nicht um die nicht zu verwirklichenden "Utopismen". Um auch noch nicht verwirklichte, aber durchaus mögliche Zukunftsvorstellungen als Utopien bezeichnen zu können, verwendete Ernst Bloch die Bezeichnung "konkrete Utopie". Das Wort "konkret" bedeutet nicht, dass sie schon real geworden, realisiert worden ist - sondern dass die konkreten Vorausset-zungen für ihre Verwirklichung gegeben sind, dass ihre Entstehung kein bloßes Hirngespinst ist.

    Konkrete Utopien beziehen sich auf die Tendenzen und Latenzen in der geschichtlichen Bewegung selbst. "Prozeßhaft-konkrete Utopie ist in den beiden Grundelementen der marxistisch erkannten Wirklichkeit: in ihrer Tendenz, als der Spannung des verhindert Fälligen, in ihrer Latenz, als dem Korrelat der noch nicht verwirklichten objektiv-realen Möglichkeiten in der Welt." (Bloch, S. 727). In diesem Sinne ist auch der Realismus selbst eine Einheit von Hoffnung und Prozeßkenntnis (Bloch, S. 727).

    Utopien sind also in diesem Sinne keine unerfüllbaren Wunschträume, sondern als "konkrete Utopie", bzw. "Realutopie" können sie bei entsprechenden gesamtgesellschaftlichen Konstellationen Wirklichkeit werden (Schwendter, S. 20). Und ohne sie, "ohne Überlegungen, wie es denn anders als bisher sein sollte, entstehen keine Handlungsmotivationen" (Behrend, S. 23) für die Bedingungsveränderung...

    Auch die Utopien haben ihre Geschichte. Es gab meistens Ordnungsutopien (Staatsromane mit festgeschriebenen "idealen" Staatsformen) und Freiheitsutopien nebeneinander. In diesem Jahrhundert entstanden leider mehr Dystopien (nicht Wunsch-, sondern negative Angstbilder). Und in der "Science Fiction"-Literatur und Filmen wurden angstmachende "Visionen ohne Utopien" (Nakott) zur Regel. Zusätzlich bekam durch das Ende der sozialistischen Staaten eine prinzipielle Utopiekritik neue Nahrung. Die grundsätzliche "Kritik am Gedanken rationaler Gestaltung der Gesellschaft als eines Ganzen" (Irrlitz) paßt gut in den Zeitgeist der Postmoderne, die "große Erzählungen" mit Fortschrittsversprechen und -erwartungen ablehnt.

    Nichtsdestotrotz speisen die Wünsche und Aktivitäten von Menschen weiterhin reale Utopien. Die aufgeschriebenen sind seit den 60er Jahren fast ausschließlich "Freiheitsutopien" (Schwendter, S. 15) auf Grundlage einer dezentralisierten, ökologisch verträglichen Lebensweise. Aber viel bedeutungsvoller als die beschriebenen Papiere sind die Prozesse, bei denen die Utopiebildung selber dezentralisiert ist. In ihnen werden typischerweise eine Vielfalt von Lebensbedürfnissen und zu erwartende Konflikte berücksichtigt., beispielsweise beim "Utopiegesprächskreis" innerhalb des "Gewaltfreien Aktionsbündnisses Hamburg".

    Wünsche für die zukünftige Gesellschaft, die herrschaftsfrei strukturiert sein soll, in der Emanzipation auf Grundlage sozialer Sicherheit für alle möglich sein soll und die ökologisch verträgliche Wirtschaftsweisen auf Grundlage von Allianztechnologien verwirklicht, sterben nicht ab, sondern artikulieren sich immer wieder neu. Gegenwärtig treffen sie auf eine Situation, in der die Erfüllung dieser Wünsche einerseits drängend erforderlich wird angesichts der verheerenden ökologischen und sozialen Desaster des Spätkapitalismus
    - andererseits aber auf Grundlage der erzeugten produktiven Kräfte der Menschheit auch immer stärker im Horizont des Möglichen erscheint.

    Prinzipiell entspricht dieser Weg durchaus einer Dialektik, die keine Sicherheit auf den Sieg des Fortschritts bietet, aber wenigstens Anknüpfungspunkte für hoffnungsvolles handeln. Auch Marcuse sieht trotz seiner treffenden Analyse der "eindimensionalen Menschen" durchaus "Tendenzen in Theorie und Praxis, die in einer gegebenen Gesellschaft über das etablierte Universum von Sprechen und Handeln in Richtung auf seine geschichtlichen Alternativen "hinausschießen"" (Marcuse, S. 13).

    Neue Erkenntnisse über typische Evolutionsverläufe unter Beachtung von Selbstorganisations- und Chaoskonzepten (Schlemm 1996, S. 180ff, oder Schlemm 1999, S. 55f.) präzisieren unser Wissen über die Art und Weise der Durchsetzung von möglichen Zukünften:

    • Relativ stabile Zustände erzeugen sich ständig selbst (zyklische Reproduktion: z.B. biochemische Prozesse in unserm Inneren, Wirtschaftlicher Aktivitäten in der Gesellschaft...). Stabilität bedeutet, daß "Abweichungen" ausgemittelt, unterdrückt werden.
    • Diese Prozesse verändern ihre eigenen inneren und äußeren Bedingungen irreversibel, bis die eigenen Existenzgrundlagen "aufgebraucht" sind.
    • Dann entsteht eine sog. "sensible Phase", ein "Bifurkationspunkt", an dem die "Abweichungen" plötzlich nicht mehr unterdrückt werden, sondern eine Chance haben, sich extrem zu verstärken (ein Schmetterlingsflügelschlag in Europa kann einen Orkan in Amerika ermöglichen - "Schmetterlingseffekt"). Keime für die jetzt möglichen revolutionären Veränderungen müssen aber vorher gelegt worden sein. Es ist nicht eindeutig voraussagbar, welche Schmetterlinge vorhanden sind und welche Flügelschläge historische Wirkungen haben werden. Es kommt darauf an, genügend Keime der von uns gewünschten Zukünfte gelegt zu haben!
    • In diesem "Bifurkationspunkt" wird der frühere stabile Zustand beendet - möglich sind jetzt mehrere verschiedene "Zukünfte", die miteinander konkurrieren oder eventuell gleichzeitig entstehen und eher kooperieren (z.B. mannigfaltige Entstehung vieler neuer biotischer Arten nach den Katastrophen).
    Umrisse einer konkreten Utopie am Jahrtausendwechsel 2001  

    Viele unserer Wunschvorstellungen entsprechen schon gar nicht mehr sehr entfernten Utopien, sondern sie sind sehr realistisch. "Echter Realismus zieht in seine Betrachtungen nicht nur das ein, was deutlich sichtbar ist, sondern auch das, was als Antwort auf unabdingbare Notwendigkeiten im Schoße der Gesellschaft erst heranwächst" (Jungk 1990, S.14).

    Die folgenden Themenbereiche umreißen einige Aspekte einer konkreten Utopie:

    rect rect rect rect rect rect

    Neu (2005):

    Neu :  

    Literatur:
    • Behrend, H., Rückblick aus dem Jahr 2000 - Was haben Gesellschaftsutopien uns gebracht?, Berlin 1997
    • Bloch, E., Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt am Main, 1985
    • Fuchs, Ch., Mail an die Mailinglist: "list @ krisis.free.de" vom 10.3.1999
    • Holzkamp, K., Grundlegung der Psychologie, Frankfurt/Main, New York, 1985
    • Irrlitz, G., Unmittelbarkeit und Struktur - die kulturelle Figur der Sozialutopien, in: Neue Realitäten - Herausforderung der Philososophie. XVI. Deutscher Kongreß für Philosophie, Berlin, 20.-24.September 1993, Vorträge und Kolloquien, Hrsg.v. Lenk, H., Poser, H., Berlin 1993
    • Jungk, R., 51 Modelle für die Zukunft, Frankfurt/Main 1990
    • Marcuse, H., Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, München 1998
    • Meretz, St., (a) Doppelte algorithmische Revolution des Kapitalismus - oder: Von der Anarchie des Marktes zur selbstgeplanten Wirtschaft, in: http://www.kritische-informatik.de/algorevl.htm
    • Meretz, St., (b) Linux - Software-Guerilla oder mehr? Die Linux-Story als Beispiel für eine gesellschaftliche Alternative http://www.kritische-informatik.de/linuxswl.htm
    • Nakott, J., Visionen ohne Utopien. Science-fiction zwischen Pessimismus und Euphorie, in: bild der wissenschaft 11/1996, S. 88
    • Pfetsch, F.R., Politische Utopie, oder : Die Aktualität des Möglichkeitsdenkens, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 52-53-90, 1990
    • Raymond, E., Die Kathedrale und der Basar (übers.v. L. Müller), in: http://www.linux-magazin.de/ausgabe.1997.08/Basar/basar.html (mehr von Raymond)
    • Schlemm, A., Daß nichts bleibt, wie es ist... Band 1, Kosmos und Leben, Münster 1996
    • Schlemm, A., Daß nichts bleibt, wie es ist... Band 2, Möglichkeiten menschlicher Zukünfte, Münster 1999
    • Schwendter, R., Utopie. Überlegungen zu einem zeitlosen Begriff, Berlin-Amsterdam 1994
    • Utopie-AG/Gewaltfreies Aktionsbündnis Hamburg, Eine Struktur für die Freiheit - Einladung zur Utopiediskussion (1993)

    siehe auch: Weiterhin zu empfehlen: Siehe auch:
  • Kurz, R., Antiökonomie und Antipolitik, Gelebte Utopien:
  • Solidarität GmbH statt ich AG

     

    Alternativen - Archiv für Utopien, Visionen, Anarchie & Selbstorganisation -

    Macht, was ihr wollt! - Utopien heute

    Zum PROJEKT 2000

    Zum Arbeitskreis Konkrete Utopie

  • Wer hat utopische Literatur aller Art doppelt, übrig, zu verschenken?

    Im Rahmen einer allgemeinen Suche nach konkreten Utopien wollen wir in der Projektwerkstatt Saasen einen entsprechenden Archivteil einrichten und ausstatten.

    Bitte schickt Eure Spenden an:
    Kabrack! - archiv in der
    Projektwerkstatt Saasen
    Ludwigstr. 11
    35447 Reiskirchen/Saasen
    http://come.to/projektwerkstatt

    [Homepage] [Gliederung]






    - Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 1999/2001 - http://www.thur.de/philo/ku1.htm -