Ökostrom von unten

Das Institut für Ökologie hat sich mit dem Konzept für einen "Ökostrom
von unten" gegen die neoliberalen Ökostrategien (Markteuphorie und
Ökokapitalismus) gestellt und eine Alternative aufgezeigt, wie
Mitbestimmung und Ökologie sich ergänzen können. Die
"Ö-Punkte" haben im letzten Bericht die Idee erstmals vorgestellt.
Inzwischen, innerhalb von wenigen Monaten, haben Gespräche mit
Ökostrom-Anbietern stattgefunden, außerdem rollt die Kampagne in
mehreren Regionen an. Auf dieser Doppelseite soll genauer
vorgestellt werden, wie
Strom- ErzeugerInnen- VerbraucherInnen- Gemeinschaften entstehen können,
die statt eines ruinösen Wettbewerbs nach neoliberalem Muster die Frage
des Verbrauchs und der Erzeugung in regionalen Entscheidungs- und
Planungsprozessen
umsetzen. Weiterhin sind regionale Energie- und Anti-Atom-Inis,
Infozentren, die mit solchem Strom versorgt werden und als
"atomstromfreie Zonen" dafür werben wollen, und überhaupt alle
Interessierten, Anlagenbetreiber usw. gesucht, um in den Regionen zu
starten.
Kontakt: Projektwerkstatt, 06401/90328-3, Fax -5, projektwerkstatt@apg.
wwbnet.de
Mehr Mitbestimmung statt mehr Markt
Schafft 1,2 ... viele atomstromfreie Zonen!
Zur Zeit setzt alles auf den Markt - die Regierungen, die Konzerne
natürlich am meisten, die Institutionen, aber auch viele Verbände und
NGOs. Der liberalisierte Strommarkt macht zwar die Menschen immer mehr
nur zu KonsumentInnen, die auf die
tatsächlichen Abläufe keinen Einfluß mehr haben, dennoch versprechen
sich Umweltverbände und Ökostromanbieter gerade von diesem neoliberalen
Umbau der Gesellschaft den Atomausstieg.
Das Institut für Ökologie und die Zeitung "Ö-Punkte" haben ein
Gegenmodell entwickelt. Es kann sofort starten. Sein Ziel: Überall in
den Regionen atomstromfreie Zonen schaffen, regionale
Öffentlichkeitsarbeit für einen Umstieg von Atom- auf Ökostrom
anzetteln sowie dezentral
Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften gründen, die über
die Werbung, Beratung und neue regenerative Energieanlagen beraten. Ziel
ist, die bundesweiten Ökostromanbieter dafür zu gewinnen, im Markt nicht
eine Chance,
sondern eine große Gefahr zu sehen. Dort sind die milliardenschweren
Atomstromversorger der Gegner, die mit eigenen Pseudo-Öko-Angeboten
KundInnen ziehen. Zudem unterliegen Ökostromanbieter der ständigen
Gefahr, geschluckt zu werden - dann wäre alles
Werben von ÖkostromabnehmerInnen umsonst gewesen.
Die Alternative wäre ein dezentrales Modell. Statt über die Konkurrenz
im Markt verbünden sich Ökostromanbieter mit der politischen Bewegung,
z.B. Energieinis oder Anti-Atom-Gruppen. Sie werden zu den AkteurInnen
in den Regionen. Sie sollen langfristig
auch die Entscheidungsbasis der Ökostromanbieter bilden. Dann gäbe es
"Ökostrom von unten", d.h. in den Regionen würde entschieden, wie für
Ökostrom geworben und wie der Ökostrom produziert wird - will heißen: Wo
welche neuen Anlagen entstehen.
Ziel ist es, durch die Umstellung von Haushalten, Betrieben,
öffentlichen Einrichtungen usw. auf Ökostrom den Anteil an Atomstrom und
die Macht der Atomkonzerne zu verringern. Das geht nur, wenn ...
Die Umstellung nicht im liberalen Markt erfolgt, denn der und den ihn
schaffenden Institutionen tragen wesentliche Schuld an Ausbeutung,
Diskriminierung und Umweltzerstörung.
Der dann bezogene Ökostrom auch wirklich sauber ist und von Firmen
stammt, die nicht wiederum Teil der Atomkonzerne sind.
Langfristig gesichert bleibt, daß die neuen Ökostromversorger nicht
Stück für Stück auf einen halbherzigen Kurs umsteigen bzw. von den
Atomkonzernen geschluckt werden.
Das Werben um eine Umstellung auf Ökostrom verbunden wird mit
widerständigen Aktionen gegen die Nutzung von Atomkraft und die
dahinterstehenden Machtstrukturen.
Dezentralisierung statt Konkurrenz
Die Anzahl von Ökostromanbietern ist schon jetzt sehr hoch. Bislang
fehlt allen die regionale Mitbestimmung mit Ausnahme derer, die schon
regionale Strukturen haben (vor allem Schönau) und jetzt ihren Strom nur
bundesweit vermarkten. Es wäre günstig, wenn
die AnbieterInnen sich an der Idee regionaler Strom-EVGs beteiligen und
überlegen, wieweit ihre Struktur sich so verändern läßt, daß die
regionalen Strom-EVGs ein Mitbestimmungsrecht haben und ein ruinöser
Wettbewerb im Ökostrombereich vermieden werden
kann. Der visionäre und langfristige Entwurf wäre, daß in Hunderten von
Regionen aktive Zusammenschlüsse von Energieinitiativen,
Anlagenbetreibern, Anti-Atom-Initiativen und anderen AkteurInnen für
Ökostrom werben, informieren und neue Anlagen
planen/umsetzen - und diese gleichzeitig auch die tragende Basis der
bundesweiten Ökostromversorgung sind. Die Ökostromversorger schaffen
Gremien mit beratender Kompetenz und z.B. Vetorechten bei Veränderungen
der Stromquellen usw., in denen jede Region
eine Stimme hat. So würde eine mitbestimmungsorienterte Ökologie
geschaffen - ein notweniger Schritt, politisch und für die Motivation
von AkteurInnen, die zu Recht eine glaubwürdige Absicherung dessen
fordern, für das sie sich engagieren.
Glaubwürdig agieren
Wie überall ist auch der Ökostrommarkt durchdrungen von
FalschspielerInnen. Etliche Ökostromanbieter gehören zu Atomkonzernen,
andere kooperieren mit ihnen. Den meisten geht es um Profit. Nur wenige
achten auf glaubwürdige Organisation und Stromquellen.
Besonders perfide sind viele Angebote großer Stromversorger, die den
ohnehin im Netz vorhandenen Anteil an Ökostrom jetzt nur gesondert
verkaufen. So holen sie mehr Gewinn aus ihrem Strom, gleichzeitig wird
mit jedem/r ÖkostromkundIn der Reststrom nur
dreckiger - aber keine einzige Kilowattstunde tatsächlich auf Wind,
Sonne, Wasser oder Biomasse umgestellt.
Als Partner für "Ökostrom von unten" kommen nur die in Frage, die auch
neue regenerative Anlagen schaffen, also den Atomstrom tatsächlich
mikrometerweise verdrängen - und gleichzeitig nicht selbst Atomkonzernen
gehören. Selbst bei diesen wenigen sind
Widersprüche erkennbar, sei es die Einspeisung von Strom aus BHKWs oder
die Kooperation mit zweifelhaften Partnern bis zur Präsentation im
Zusammenhang der Expo 2000.
Der beste Weg ist, für die regionalen Zusammenschlüsse eine hohe
Transparenz zu schaffen, damit dort immer selbst entschieden werden
kann, wer die Partner sind.
Regional sofort möglich: Ökostrom in vier Schritten
Ab sofort kann es in den Regionen losgehen. Einige Ökostromanbieter
haben dem Start zugestimmt. Die Schritte in den
Ökostrom-von-unten-Regionen im Überblick und am Beispiel Mittelhessen
präzisiert.
1. Es wird eine Vorzeige-atomstromfreie-Zone ausgewählt. Die erhält
Ökostrom, muss aber nicht mehr zahlen als für den normalen Strom. Das
wird organisiert über einen Tauschhandel zwischen Ökostromversorger,
Ö-Punkte und der atomstromfreien Zone. Diese
sollte möglichst Publikumsverkehr und Anlaufstellen verbinden, die dann
auch Infos bereithalten können. Gefragt sind also Umweltzentren,
kulturelle Einrichtungen mit Infobüros oder ähnliches. Dieser erste
Schritt kann in den Ökostrom-von-unten-Regionen
mit einem ausgewählten Gebäude sofort vollzogen werden.
Beispiel: In Mittelhessen ist die Projektwerkstatt in Reiskirchen-Saasen
seit einigen Wochen atomstromfreie Zone. Das Gebäude wird von der
Naturstrom AG, einem der Ökostromanbieter, die Partner dieser Aktion
sind, versorgt. Im Gegenwert werden die
Ö-Punkte für den Ökostrom werben.
2. Das Gebäude wird gekennzeichnet als atomstromfreie Zone. Zudem läuft
Öffentlichkeitsarbeit an: Versand von Unterlagen mit Ummeldeformular
über die bestehenden Verteiler z.B. von Umweltverbänden, Energieinis,
Anti-Atom-Gruppen usw. Zudem kann und soll
es Veranstaltungen geben, Pressearbeit usw. Umgestellte Haushalte,
öffentliche Gebäude oder Betriebe. können gekennzeichnet sein. Geplant
ist zudem einen Schwerpunkt "Ökostrom" in der Herbstausgabe der Ö-Punkte
mit einer Liste aller regionalen Zentren
sowie Berichte in weiteren Zeitungen. Das heißt, es wäre gut, wenn bis
zum Herbst in den Regionen die konkreten Absprachen erfolgt sind.
Beispiel: Im Herbst soll die "Kampagne" öffentlich starten. Bis dahin
werden Energieinitiativen und Anti-Atom-Gruppen angesprochen und
(hoffentlich) gewonnen. Für Herbst in eine Zeitung zum Ökostrom geplant,
die in Mittelhessen erscheint. Weitere
atomstromfreie Zonen in Gießen, Marburg und Umgebung sollen in
öffentlich genutzten Gebäuden entstehen. Für beide Städte sind Vorträge
vorgesehen.
3. Zur Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit, der Beratung, aber auch
der Diskussion um Neuanlagen in der Region kann und sollte sich ein
regionaler Zusammenschluss z.B. aus Anti-Atom-Inis, Energieinis und
weiteren Gruppen gründen. Idee ist eine Art
Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaft, die einerseits über
den Verbrauch (Öffentlichkeitsarbeit, Beratung, politische Einflussnahme
auf öffentliche Gebäude, Studentenwerk usw.), andererseits auch über die
Erzeugung (neue regenerative Anlagen)
diskutiert und ENTSCHEIDET. Letzteres ist wichtig: Die regionalen
Zusammenhänge, nicht bundesweite GeldjongleurInnen, planen Neuanlagen -
zusammen mit den BürgerInnen. Als Finanz- ebene steht hinter allem der
Ökostromversorger, der den Strom abnimmt und
(rechnerisch) wieder in der Region absetzt.
Beispiel: Soweit ist alles noch nicht. Aus der hoffentlich entstehenden
Runde heraus sollen Neuanlagen geplant werden, z.B. Windenergie- oder
Wasserkraftanlagen.
4. Nach Abschluss der Testfrage streben wir eine Dezentralisierung der
Machtverhältnisse im Stromsektor an. Schliesslich bewegt sich sonst
alles im neoliberalen Markt, d.h. in der Konkurrenz mit YELLO, den
Pseudo-Öko-Angeboten der grossen Versorger usw.
Zudem gibt es die jederzeitige Gefahr eines Aufkaufs der Ökoanbieter.
Daher unser Vorschlag "Ökostrom von unten". Die Stromanbieter
organisieren sich so um, dass die regionalen
Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften die Machtbasis
darstellen,
d.h. ohne sie nichts geht. Dann ist neben der ökologischen auch die
Machtfrage in Angriff genommen - ein Paradebeispiel von "Umweltschutz
von unten".
Beispiele: Dieser Schritt ist sicher noch ein Stück hin. Wenn er aber
vollzogen ist, würde die Region Mittelhessen, d.h. die hier aktive Runde
aus Energieinis, Anti-Atom-Gruppen, VerbraucherInnen,
AnlagenbetreiberInnen usw. ein Stimmrecht im
Entscheidungsorgan des Ökostromanbieters haben.
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