Raum und Zeit in der Relativitätstheorie

von Torsten Döbbecke (torsten_doebbecke@web.de)

Der speziellen Relativitätstheorie (SRT) liegen zwei Postulate zugrunde. Dies ist zum einen die Konstanz und der Grenzcharakter der Lichtgeschwindigkeit und zum anderen die Gleichberechtigung gradlinig und gleichförmig zueinander bewegter Bezugssysteme (Inertialsysteme). Hieraus resultieren die Lorentz-Transformationen, womit man die Orts- und Zeitkoordinaten von einem in ein anderes Inertialsystem umrechnet und speziell-relativistische Effekte wie z.B. die Relativität der Gleichzeitigkeit, die Relativität der Zeit (Zeitdilatation ) und die relativistische Längenkontraktion.

Diese Effekte können wir als Raum-Zeit und Perspektiveffekte bezeichnen. Als Perspektiveffekt verstehen wir es deshalb, weil wir bei der Umrechnung (z.B. der Zeitintervalle) von einem in eine anderes Inertialsystem und zurück die analogen Transformationen erhalten, eben weil die Bezugssysteme (Inertialsysteme) gleichberechtigt sind. Als Raum-Zeit-Effekt verstehen wir es deshalb, weil Raum und Zeit im Zusammenhang stehen und vom Bewegungszustand der Materie (des Bezugssystems) abhängen. In der Relativitätstheorie werden daher Raum und Zeit als eine Einheit betrachtet, sie werden in einer vierdimensionalen Raum-Zeit zusammengefasst. Der SRT liegt hierbei ein ungekrümmter vierdimensionaler Raum, der Minkowski-Raum zugrunde, wobei in die vierte Dimension die Zeit eingeht. Es lässt sich nun ein raumzeitlicher Abstand in diesem Raum angeben, welcher invariant gegenüber Lorentz-Transformationen ist.

Ist das vierdimensionale Linienelementquadrat gleich Null und stellen wir eine Raumdimension weniger dar, so erhalten wir einen isotropen Hyperkegel, den Lichtkegel (einen Doppelkegel). Durch den Vorkegel wird die Vergangenheit und durch den Nachkegel wird die Zukunft repräsentiert. Auf dem Kegelmantel finden die Ereignisse mit Lichtgeschwindigkeit statt. Ist das Linienelementquadrat kleiner als Null, so folgt daraus eine Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit.

Es stellte sich nun heraus, dass die Maxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus ihre Form nach Lorentz-Transformation nicht änderten (Forminvarianz). Diese Forminvarianz gilt auch für andere Grundgesetze der Physik wie z.B. in der Mechanik und in der Quantenmechanik. Das spezielle Relativitätsprinzip beinhaltet daher die Forminvarianz der Grundgesetzte der Physik gegenüber (kontinuierlich auseinander hervorgehenden) Lorentz-Transformationen.

Den Rahmen der SRT verlassen wir, indem wir beschleunigte Bezugssysteme und die Gravitation mit einbeziehen. Betrachten wir die Verhältnisse zunächst noch ohne Einbezug der Gravitation, so stellen wir fest, dass es im Minkowski-Raum nicht nur möglich ist Inertialsysteme (Lorentz-Systeme) zu betrachten sondern auch beschleunigte Bezugssysteme, also Nichtinertialsysteme, die damit nicht mehr gleichberechtigt zueinander sind. Deshalb lässt sich im Minkowski-Raum nicht nur spezielle sondern auch allgemeine Relativitätstheorie betreiben, mithin können wir nun beliebige Koordinaten und beliebige Bewegungszustände der Beobachter betrachten. Man kommt damit folgerichtig zum allgemeinen Relativitätsprinzip: Für zwei im beliebigen Bewegungszustand befindliche Beobachter (deren Koordinatensysteme kontinuierlich auseinander hervorgehen) haben die physikalischen Grundgesetze die gleiche Form (allgemeines Kovarianzprinzip). Wir wollen nun Einsteins Weg zur allgemeinen Relativitätstheorie betrachten.

Einstein stellte sich einen Beobachter in einem gleichmäßig beschleunigten Kasten vor. Kann dann dieser Beobachter (wenn er keinen Bezug zur Außenwelt hat) feststellen, ob die Kraft, welche ihn z.B. auf den Boden drückt, von einer Trägheitswirkung oder einer Schwerkraft herrührt ? Sicher kann ein Beobachter dies nicht unterscheiden. Man sagt, Trägheit und Schwere sind äquivalent (träge und schwere Masse sind exakt gleich.) Weiter stellte sich Einstein in einem gleichmäßig beschleunigt bewegten Kasten einen Lichtstrahl vor, der an den Kastenwänden hin und her reflektiert wird. Ein Außenbeobachter würde (aufgrund der Beschleunigung des Kastens) den Lichtstrahl gekrümmt sehen. Aufgrund der Äquivalenz von Trägheit und Schwere muss dann aber der gleiche Effekt, welcher bei einer Beschleunigung auftritt, auch durch die Wirkung des Gravitationsfeldes auftreten. Ein Lichtstrahl muss also, wenn er sich an einer Masse vorbeibewegt, ebenfalls gekrümmt werden (dies hängt von der Masse und vom Abstand zur Masse ab). Wenn dies aber der Fall ist, so muss das Licht der betrachteten Wellenfront, welches weiter von der Masse entfernt ist, sich schneller bewegen, als das Licht, welches sich näher an der Masse vorbeibewegt. Die Lichtgeschwindigkeit muss also von der Masse des Körpers (der das Licht ablenkt) abhängig sein (und von der Richtung des Lichtes zur Richtung des Gravitationsfeldes). Die grundlegende Feststellung, die Lichtgeschwindigkeit sei konstant, musste Einstein nun bei Berücksichtigung des Gravitationsfeldes fallen lassen. Einstein sah so, dass grundlegende Änderungen seiner Theorie, ja eine neue Theorie erforderlich war, wenn man das Gravitationsfeld zu berücksichtigen hat. Die Krümmung der Lichtstrahlen und die Änderung der Lichtgeschwindigkeit im Gravitationsfeld konnten nicht mehr durch den ungekrümmten vierdimensionalen Minkowski-Raum erklärt werden. Die Krümmung der Lichtstrahlen deutete Einstein als Folge der Krümmung des Raumes. Raum und Zeit bilden aber nach wie vor eine Einheit. Einstein musste also zum vierdimensionalen Riemannschen-Raum übergehen, um die Krümmung der vierdimensionalen Raum-Zeit berücksichtigen zu können. Da dies aber von den Massen abhängt (siehe oben), musste die Größe und die Verteilung der Massen die Krümmung der vierdimensionalen Raum-Zeit bestimmen. Diese Krümmungsverhältnisse bestimmen aber wiederum, wie wir sahen, die allgemein-relativistischen Effekte. Die Periheldrehung der Merkurs, die Lichtablenkung der Sternlichtstrahlen an der Sonne, die Zeitverschiebung im Gravitationsfeld u.a. werden als Folge der Krümmung der Raum-Zeit beschrieben.

Im Unterschied zur SRT, in der wir eine konstante Metrik und keine Raumkrümmung hatten, haben wir nun in der ART, bei Vorhandensein eines Gravitationsfeldes, eine Variabilität der Metrik und der Raumkrümmung.

Jede Disziplin der Physik muss strenggenommen das allgemeine Relativitätsprinzip als Fundament haben. Man hat es insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten und starken Gravitationsfeldern nicht nur mit den ein oder anderen bekannten relativistischen Effekten zu tun. Es gibt Zusammenhänge der allgemeinen sowie der speziellen Relativitätstheorie mit den einzelnen Physikdisziplinen wie Mechanik, Elektromagnetik, Optik, Thermodynamik usw. , wobei die allgemeine Relativitätstheorie zusätzlich i.a. noch die Gravitation mit einbezieht. Das bedeutet aber, dass die ART sich nicht in der Gravitationstheorie erschöpft. Es gilt also weder die Gleichsetzung ART ist gleich Gravitationstheorie noch gilt die Gleichsetzung SRT ist gleich Physik im Minkowski-Raum.

Nun werden die beiden vierdimensionalen Räume Minkowski-Raum (ein pseudoeuklidischer Raum) und Riemannscher-Raum (genauer: pseudoriemannscher Raum) nicht nebeneinander betrachtet, sondern in Beziehung gebracht. Zunächst lässt sich feststellen: Wird das Gravitationsfeld immer schwächer , so geht die gekrümmte vierdimensionale Raum-Zeit mehr und mehr in den ungekrümmten Minkowski-Raum über. In beiden Räumen lassen sich insbesondere beschleunigte Bezugssysteme betrachten. Lokal an den vierdimensionalen Riemannschen-Raum, also in einem Punkt der Raum-Zeit, kann man einen Minkowski-Raum anheften, repräsentiert durch eine Tangentialebene, worin wir ein Lorentz-Inertialsystem errichten können. Diese Konstruktion kann man in jedem Punkt des vierdimensionalen Riemannschen-Raumes durchführen.


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