Produktivkraft Ein Auszug aus: Linux - Software-Guerilla oder mehr? Die Linux-Story als Beispiel für eine gesellschaftliche Alternative von St. Meretz "Menschen arbeiten, um die Mittel für ihr Leben zu schaffen. Diese Arbeit ist unterschiedlich wirkungsvoll. Der Begriff der Produktivität ist ein Maß für die Menge der hergestellten Güter pro Zeiteinheit. Damit ist jedoch nur die Quantität erfaßt. Produktivitätsvergleiche machen eng gefaßt nur Sinn, wenn es um ein und dasselbe Produkt geht. Ich kann nicht Fabrikarbeiter und Bauer vergleichen. Ich brauche also einen Begriff für Inhalt und Art der Arbeit. Dieser Begriff ist der der Produktivkraft der Arbeit wie ihn Karl Marx im "Kapital" [8](1976, S. 54) und anderen Schriften verwendet. Mit diesem Begriff lassen sich verschiedene Aspekte der Arbeit erfassen: - WAS - Inhalt der Arbeit: Art der Produkte und Mittel zu ihrer Herstellung; - WIE - Art der Arbeit: Arbeitsorganisation; - WIEVIEL - Produktivität der Arbeit: die je Zeiteinheit herstellte Produktmenge. Die Produktivkraft der Arbeit umfaßt also sowohl die quantitativen wie qualitativen Aspekte der Arbeit. Mich interessiert vor allem letzteres: das WAS und WIE der Arbeit. Das jedoch nicht bloß für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern mich interessiert das WAS und WIE der Arbeit in seiner Entwicklung. Das nenne ich dann "Produktivkraftentwicklung" - ein eher neuer Begriff, den es bei Marx noch nicht gab. Warum aber soll Wissen über die Entwicklung der qualitativen Aspekte der Arbeit nützlich sein - gar für das Verständnis von Linux? Annette Schlemm in Mailinglist Oekonux am 21.9.99: >Kannst Du das mal konkret machen? "Neue Produktivkräfte"? "... Wenn ich nach einem Ausweg aus dem Teufelskreis der kapitalistischen Entwicklung suche (und das tue ich), dann konzentriere ich mich eben nicht so sehr auf die Frage von Parteien-Macht, persönlichen Einflüssen, Kriegsentscheidungen etc., sondern ich schaue, was sich auf der Welt tut im Bereich der Produktivkraftentwicklung (die auch oft schon "Destruktivkraftentwicklung" genannt wird). Hier verfalle ich auch noch in den Fehler, die technischen Artefekte oft isoliert zu sehen. Ich bin z.B. der Meinung, daß die Informations- und Kommunikationstechnologien eine neue Art von Gesellschaftszusammenhalt erlauben, neue Produktions- und Lebensweisen. Ich bin hier der Meinung, daß nicht nur Information die Grundlage der Wirtschaft ist, sondern auch die Strukturen und Prozesse der "normalen" Produktion, z.B. der Fertigungstechnologien sollten abgegrast werden nach neuartigen Strukturen und Prozessen. Mir fallen hier beispielweise die neuen dezentraleren Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme ein. Öffentlich breit diskutiert werden bereits die alternativen (typischerweise auch dezentraleren) Energietechnologien. All dies sind für mich Bausteine, die z.B. ermöglichen (d.h. nicht etwa: automatisch dazu führen), auch die Wirtschaft auf demokratischer Grundlage zu regulieren (was z.B. in den realsozialistischen Ländern rein organisationstechnisch gar nicht möglich gewesen wäre wegen der zentralisierten Produktion/Produktionstechnologie). Ich bemühe mich dabei dann immer wieder sehr, in all diesen Prozessen die Menschen und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnisse zu sehen. Auch ich habe gerade seit der "Wende" 1990 genau beobachtet, wie sich die neueren Managementkonzepte schon in die Pläne für unsere Umschulungen und Weiterbildungen eingeschrieben haben: Teamwork, Kreativitätstechniken u.s.w. waren plötzlich "in". Sofort war klar, wem das was nützt... aber ganz nebenbei hatte ich in meinen Gruppen, mit denen ich verschiedene politische Aktionen machte, auch auf einmal Leute dabei, mit denen ich diese Methode mit ganz anderen, von uns selbst gesetzten Zielen, einsetzen konnte, weil sie die Grundlagen kannten. Nebenbei und unbeabsichtigt vom Hauptzweck der Managemantkonzepte, Profit zu machen und unternehmerische "Visionen" umzusetzen, entwickeln sich bei den Menschen neue produktive Kräfte, die die Schranken der Kapitalverwertung tendenziell überschreiten. (Diese unbeabsichtigten "Seitenwege" sind typischerweise oft Ausgangspunkte für neue Strukturen und Prozesse in der Evolution). Hier sind wir dann wieder bei anderen Denkkonzepten (wie der Dialektik: bei der das Überschreiten von Schranken in Qualitätsumschlägen typisch ist, oder des Selbstorganisationskonzepts, wo in sog. "Bifurkationspunkten" die bis dahin funktionierende Dynamik eines Systems nicht mehr aufrechterhalten wird und das System entweder vergeht oder neue Dynamiken (oder eine einzige neue) entwickelt und dabei selbst ein anderes/neues wird...)..." Zur Ergänzung noch einige Gedanken aus einer anderen Mail von A.S.am 28.9.99: Wenn wir aber bedenken, daß "produktiv" ja innerhalb des Kapitalismus nicht das ist, was wir gern darunter verstehen wollen, sondern eben nur das, was das Kapital vermehrt (wo war nur die Stelle dazu - ich kann mich partout nicht erinnern), so zeigt sich auch der Begriff "Produktiv-Kraft" unter anderem Licht:
"Wenn deine Geistlosigkeit produktiver ist als deine reiche
Geistestätigkeit, so ist deine Geistlosigkeit eine produktive Kraft etc.
etc. Wenn ein monotones Geschäft dich fähiger für dasselbe Geschäft
macht, so ist die Monotonie eine produktive Kraft." (S. 440)
... und die Antwort von St.Mz 29.9.99:
PK ist (wie Arbeit!) nicht nur auf den Kapitalismus bezogen,
genetisch-logisch kamen beide mit der Herausbildung der Menschheit auf
die Welt (wenn auch als Begriff natürlich erst später).
„Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der
Mensch daher erst wirklich als ein Gattungswesen. Diese Produktion ist
sein werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein
Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die
Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen: indem er sich
nicht nur wie im Bewußtsein intellektuell, sondern werktätig, wirklich
verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt
anschaut. Indem daher die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand
seiner Produktion entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine
wirkliche Gattungsgegenständlichkeit und verwandelt seinen Vorzug vor
dem Tier in den Nachteil, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm
entzogen wird.“ Die Diskussion geht sicher weiter...
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