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Ein Stückchen Sozialismus...
von Annette Schlemm
Mein Empfang und die erste Führung durch die SSM waren für meinen Ansprechpartner Heinz als Arbeitszeit eingeplant und bewertet. Jeder Blick ins Projekt traf geschichtliche Zeichen, zeigte die aktuelle Nutzung und Raum für Zukünftiges. Zwischendurch gabs (wohlschmeckendes) Essen und kleine Streitigkeiten, weil der Behinderte so schlau war, seine Wünsche nach fleischlicher Nahrung entgegen einem Beschluß der Gruppe in seinem Küchendienst durchzutricksen. Ich kann nur erahnen, welche Arbeit in den vielen Räumen steckt, die ich dann sah. Werkstätten, Verkaufsräume, Lagerräume, Wohnungen. Ich weiß ja aus dem Osten zur Genüge, wie brachliegende Fabriken aussehen. Hier jedoch war das Leben eingezogen. Ein kompliziertes Leben. Betriebswirtschaftlich soll es einem Wunder nahekommen, daß es funktioniert. Aber alle sind sich einig, daß die Ökonomie hier dem Leben untergeordnet ist. Eine Arbeitsbesprechung, die ich am nächsten Vormittag erlebte, dient nicht vorwiegend der effektiven Arbeitseinteilung, sondern dient Absprachen und Vereinbarungen, die auch psychische Befindlichkeiten, gesundheitliche Probleme und die Situation der gesamten Persönlichkeit einbeziehen. Die Arbeitseinteilung erfolgt nach den Möglichkeiten der Projektmitglieder und beinhaltet Geldverdien-Aufträge für Umzüge, Entrümpelungen, dazu erforderliche Besichtigungsfahrten und Ladenbetreuung ebenso wie die "Selbstversorgung" im Projekt: Holzmachen, Werkstattaufräumen, kochen und die täglich wechselnde "Verantwortung". Nicht davon zu trennen ist die Politik - zur Einbindung des Projekts in die Stadtentwicklung - die Zurückdrängung von Gefahren, wie das Infragestellen von Biotopen. Trotzdem bleibt Kraft für neue Projekte wie den "Kulturbunker", die "Industriebrache Mülheim" sowie die Veranstaltungen des "Instituts für Neue Arbeit". Die auf mein Angebot hin kurzfristig vorbereitete Veranstaltung "Ellbogenfreiheit oder konkrete Freiheit - Zur Selbstentfaltung in Projekten und Kooperationen" war für mich nochmals ein interessantes Erfahrungsfeld, weil die TeilnehmerInnen - auch von außerhalb des Projekts - meine Überlegungen zur Selbst-Organisierung in Projekten sehr bereichern konnten. Bezüglich prinzipieller Fragestellungen, wie in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft die Menschen als Persönlichkeiten ihr Leben selbst organisieren können, ist dieses Projekt dem real gewesenen staatlichen Sozialismen zumindest weit voraus.
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weitere Texte:
siehe auch:
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