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Überlegungen zum offenen Brief der SKLAVEN
Martin Rausch - März 99
Es handelt sich um erste Überlegungen meinerseits, die ich aber doch schon weitergebe, um die Debatte weiterzubringen. Aus Anlaß eines offenen Briefes an Schröder geriet das INA in die Kritik linksradikaler, klassenkämpferischer Positionen.Aus unserer Sicht enthält der Sklaven-Brief von Christian (Wildcat) leider viele Unterstellungen und Verdrehungen, die er nicht ganz unbewußt produziert um von eigenen Schwächen abzulenken. Deshalb möchten wir darauf nicht im Einzelnen eingehen, sondern mit dieser Stellungnahme unsere Denkansätze darlegen, wie wir uns den Weg in eine wirkliche ökologische, demokratische Gesellschaft vorstellen.Unsere Position wurde breit mit INA-Förderern und Unterstützern diskutiert. Dies auch deshalb weil uns wohl bewußt ist, daß wir mit dem Projekt Industriebrache mit fast allen brechen, was in der politisch linken, und linksradikalen Szene gedacht und diskuiert wird. Unabhängig was man von diesem Brief hält,(viele Unterstützer des INA halten dieses Schreiben für naiv und weltfremd) sind die Vorwürfe von Christian in ihrer Schärfe typisch für das linke Spektrum. Es ist dabei relativ gleichgültig ob linke Positionen klassenkämpferisch nach das Recht auf Arbeit fordern, oder wie Christian verbalradikal über die Arbeit motzen. Der Vorwurf, der uns gemacht wird ist, bei Christian geradezu klassisch formuliert. Er schreibt: "Mit Euren Ratschlägen für weitere Sparmaßnahmen und Euren Konzepten für mehr Arbeit stellt ihr Euch in diesem Kampf auf die Seite der Herrschenden und der Ausbeuter." Er meint, wie er es nennt, den "Kampf gegen den Zwang zur Arbeit" und um "unsere Mittel zum Leben." Zunächst vorab einige Bemerkungen und Fragestellungen. Selbst wenn wir einmal annehmen, es gelänge unserem Kämpfer Christian im harten Klassenkampfe ein hohes Grundeinkommen von sagen wir 6.000,- DM monatlich durchzusetzen, was würde denn dann passieren?? Bedeutete dieses nicht auch eine ungeheure Stabilisierung des marktwirtschaftlichen Systems? Alle nunmehr glücklichen Geldbezieher würden mit ihrem zweifellos gesteigerten Konsum zum endgültigen Zusammenbruch unserer Umwelt gerne massiv beitragen. Im übrigen würde in allen Schulbüchern, Zeitungen, Parlamenten, Verbänden und Universitäten die Lehre vom besten aller Systeme wiederbelebt und Norbert Blüm könnte erneut wie einst wieder verkünden "Marx ist tot und Jesus lebt". Unserer Meinung nach wird es dazu allerdings nicht kommen. Unsere scheinbar logisch und vernünftig wirkende Marktwirtschaft hat da so ihre eigenen Mucken. Sie ist nicht logisch und vernünftig und schon gar nicht "kostengünstig." Nach amtlich vorliegenden Berechnungen (Quelle bei Carola Möller zu erfragen) wird 70% aller Arbeit kostenlos verrichtet. Einen riesigen Block bildet dabei die Hausarbeit und die Betreuung von Kindern. Würde dies alles bezahlt, stellte sich sehr schnell heraus, das die Kosten des Systems weit über dem Ertrag liegen. (CDA-Forderung) In diesem Sinne bedeutet auch ein weiteres Anwachsen der offiziellen zu finanzierenden Arbeitslosigkeit für das System ein auf Dauer nicht mehr zu lösendes Problem. Eine Antwort darauf wäre dann die billigst mögliche Stillegung von Menschen (Tittitainement s.0) oder die physische Vernichtung der überflüssigen, im Marktsystem nicht mehr profitabel verwertbaren Menschen. In diesem und nur in diesem Sinne sprechen wir von einer tendenziell ausufernden Konsumtivförderung. Was meinen wir nun mit Investivförderung. Mit Investivförderung meinen wir die kollektive Wiederaneignung von Resourcen, hier zu gehören Maschinen genau so wie Gebäude, Grundstücke oder Finanzmittel. Wir meinen, wenn schon keiner unserer Marktwirtschaftler uns mehr bieten kann als Mc-Jobs oder Tittitainement, dann wird es Zeit das Leben endlich wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Die Geschichte der Industrialisierung und der Marktwirtschaft ist nach unserem Kenntnisstand die Geschichte brutalster Enteignungen. Es gab seit Ende des Mittelalters einen zähen Kampf gegen die Privatisierung des öffentlichen Raumes. Thomas Müntzer predigte zu Beginn des Bauerkrieges, daß die Grundursache aller Dieberei und Räuberei darin liegt, daß die Fürsten alles zu eigen haben wollen, selbst die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft und die Gewächse des Bodens.Seit jener Zeit, wurde den Menschen Schritt um Schritt alles genommen, was hätte dazu dienen können, aus ihnen freie und selbstbestimmte gesellschaftliche Wesen zu machen. Formen der gegenseitigen Hilfe verschwanden mit der Enteignung der Produktionsmittel, der Respekt vor der Natur, daß Wissen z.B. um ihre heilenden Kräfte, die Zerstörung ganzer Völkerschaften in Afrika, Asien und Amerika, daß ist die Geschichte der Enteignungen die wir meinen. Selbst Einrichtungen wie die oft genannten Schrebergarten, mit denen sich die Menschen noch zu großen Teilen durch die Katastrophen des 20.Jh. hangelten wurde vom "besten aller Systeme" fast ganz beseitigt zugunsten minderwertiger industriell hergestellter Lebensmittel. Das Marktsystem hat in seiner kompletten Geschichte immer die guten Dienste der Reste der Subsistenzwirtschaft in Anspruch genommen und gleichzeitig immer weiter zerstört. In seiner Kostenrechnung kommt dieses wie die oben erwähnte Hausarbeit allerdings nicht vor.Heute müssen die Einen selbst zu nachtschlafener Zeit ihre Gesundheit ruinieren, in dem sie irgendetwas mehr oder eher weniger nützliches produzieren. Um oft nur Sinnloses zu tun, müssen häufig riesige Distanzen umweltverpestend, im Stau zurückgelegt werden. Kostenlos für das System zu Lasten der Fahrenden und der damit Belästigten und der übrigen Umwelt. Die Anderen, meist die Frauen dürfen kostenlos ihren Geldverdiener und den Nachwuchs versorgen. Die nicht mehr betriebswirtschaftlich Verwertbaren begreifen es als Defizit diesen Unsinn nicht mehr mitmachen zu dürfen. Wer kann es ihnen verdenken, da selbst Linke diesen Unsinn nicht mehr konsequent kritisieren. Wir sehen die Sache also so: dieses Marktsystem ist nicht nur unsinnig, es ist auch, wenn wir es aus der Perspektive von Lebensqualität betrachten, aus der Perspektive der Umwelt, aus der Perspektive der unbezahlten Arbeit der Arbeitslosigkeit in Summe "unbezahlbar". Wir möchten daher in der diskutierten Industriebrache auf keinen Fall, noch ein Einkaufszentrum, noch ein Multiplexkino mitsamt den ganzen lächerlichen Arbeitsplatzillusionen. Nach unserer Ansicht kann man entweder über gläserne Pyramiden (Köln-Kalk) und ähnliche "Glanzleistungen" meckern, oder konkrete Flächen ganz konkret beplanen und dazu ganz konkrete Schritte unternehmen, um dieses durchzusetzen. Wir haben uns für das Letztere entschieden. Wir geben dabei gerne zu, daß dieses nicht ohne Taktieren und nicht ohne Kompromisse abgeht z.B. mit Vertretern der Stadt. Christian wirft uns vor, sollte er einmal krank sein, oder sich ein Bein brechen, dann stünde er da und müsse ob er wolle oder nicht arbeiten. Wir sehen gedanklich einmal davon ab, daß wir zur Zeit ja noch über eine Restmenge Sozialstaat verfügen. Wiederaneignung als Gegenstück zu der eben geschilderten Enteignung heißt in diesem Zusammenhang vor allem auch, das dies ein kollektiver Prozeß ist.Kollektiv heißt ja gerade, daß einer für den anderen einsteht, daß ein Kranker von der Gemeinschaft versorgt wird, daß z.B Behinderte wieder Teil der Gemeinschaft werden und nicht die Urlaubskosten mindernder Störfaktor (Nebenbeibemerkt ist dieses sogar viel billiger als beispielsweise eine Heimunterbringung geistig Behinderter. Ist die Heimunterbringung dann auch besser und fortschrittlicher weil die "Herrschenden" dafür mehr Geld zahlen müssen?) Nach unserem Menschenbild ist jeder Mensch wertvoll und vor allem, ob krank oder gesund, behindert oder nicht behindert, mit seinen Fähigkeiten wie sie nun einmal sind, erwünscht. In diesem Sinne möchten wir auf der Industriebrache einen Prozeß in Gang setzen bei dem die Menschen tendenziell die Trennung, zwischen Arbeit und Hausarbeit Freizeit und Leben überwinden. Entgegen dem Zeitgeist soll eine neue Art gesellschaftlichen Lebens gefunden werden. Christian mokiert sich über Formulierungen wie "eigenes Tun schafft Selbstvertrauen". Na gut wenn es Dir zu bieder ist, wir sagen es noch deutlicher. Die Menschen müssen ihre Würde wiederfinden, die sie in den Ämtern des Sozialstaats, in den Büros und Fabriken, auch bei hohem Einkommen leider allzuoft verloren haben. Das wollen wir allerdings und dafür wollen wir auch Investiv-Geld, dafür wollen wir das Gelände. Wir sind allerdings nicht so naiv zu glauben, daß dies ein Total-Ausstieg aus der Erwerbsarbeit ist oder gar die Möglichkeit auf den Verzicht von Transfereinkommen. Wir sind allerdings der Ansicht, daß es zehmal mehr bringt gemeinsam mit anderen das Leben zu organisieren als in einem Protest zu verharren, der letztlich nur einen besseren Sozialstaat hervorzubringen in der Lage ist. Wir können uns schon vorstellen, daß Menschen massenhaft für solche Modelle kämpfen und eine Verteilung der vorhandenen Resourcen in diesem Sinne zu ihren Gunsten fordern und durchsetzen. Das ist dann sicher kein Klassenkampf in Christians Sinne aber immerhin könnte es der Beginn eines Ausstieges aus der menschenfeindlichen Marktlogik sein. Forderungen wie Christian sie stellt, sich gegen den Arbeitszwang zu stellen und als Alternative stattdessen soziale Transfers zu verteidigen, bestenfalls auszubauen, bleiben bei allem Kampfgeschrei hoffnungslos eingefangen in der sozialstaatlichen Menschenstillegungslogik. |
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