Anders Wirtschaften

Diese mögliche neue Vergesellschaftung wird bisher nur verhalten diskutiert. Es wird gesprochen von einem "nichtwarenförmigen gesellschaftlichen Stoffwechselzusammenhang" mit einer "dezentralen Staffelung von Zugriffsmöglichkeiten, Strukturen und Entscheidungen, von Zuständigkeiten" (Hildebrandt, S. 44). Hier erfolgt eine "nichtwarenförmige Selbstorganisation der Menschheit nach Maßgabe einer "sinnlichen Vernunft" (Marcuse)" (ebenda). Das bedeutet, daß Staat und Macht nicht mehr übernommen werden sollen, sondern überhaupt neue Kooperationsformen entstehen und das Leben und Wirtschaften völlig anderen Zielen unterworfen wird.

Ich verwende im Folgenden eine Zusammenstellung von C. Möller (1996) zu typisch feministischen Ansätzen einer alternativen Ökonomie, die deutlich macht, daß nicht nur "ökologischere Produktion" im Mittelpunkt stehen soll, sondern der Ausgangspunkt von der Maximinierung der Produktion in Richtung Bedürfnisbefriedigung verschoben werden muß:

bedarfsorientiertes Wirtschaften

profitorientiertes Wirtschaften

 

gemäß den eigenen und notwendigen und wünschenswerten Bedürfnissen

 

gemäß der optimalen Kapitalrendite

kostendeckendes Wirtschaften

 

Mehrwert erzielendes Wirtschaften

Tausch oder Verkauf vorwiegend preisgünstig auf regionalen Märkten

 

Preisgestaltung gemäß Weltmarktbedingungen

mit möglichst geringem Geldtransfer und möglichst ohne Bankkredite

Verschuldung und Kredite sind aus steuerlichen Gesichtspunkten sinnvoll.

 

möglichst unabhängig vom Staat

den Staat für sich arbeiten lassen: Subventionen, politischer Einfluß, Gesetze etc.

 

Gemeinschaftseigentum und privater Besitz

 

privates Eigentum: belastbar, verkaufbar, vererbbar, verleihbar, beliebig anwendbar

 

kostenlos zu nutzende Infrastruktur

privatisierte Infrastruktur muß sich "rentieren"

 

vorsorgend

ausbeutend

bezüglich Umgang mit Natur und humanen Ressourcen

 

basisdemokratisch organisiert

gewinnorientiert organisiert

 

Vom Ziel der Bedarfsdeckung her organisiert: Kooperation, Delegationsprinzip, Rotationsprinzip, Konsensentscheidungen

 

die Kapitaleinheit ist die oberste Hierarchie, Konkurrenz, team-work, corporate identity

die Arbeitsteilung und -bewertung sind nicht diskriminierend, die Arbeitsfelder sind möglichst gleichgewichtig; bezahlte und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen gleichmäßig verteilt

große Entgeltdifferenzen, Qualifikationsdifferenzen und individualisierte Arbeitsverträge werden gefördert; die Zuständigkeit von Frauen für die unbezahlte Arbeit wird weiterhin vorausgesetzt

 

Die alternativ zur Profitorientierung dargestellten Schwerpunkte kennzeichnen ein basisdemokratisch organisiertes bedarfsorientiertes vorsorgendes Wirtschaften (Möller, ebenda), welches das modern gewordene "Nachhaltigkeit"-skonzept durch die zentrale Stellung des Sozialen überschreitet.

Erst durch eine derartige Neuregelung des Verhältnisses zwischen den Menschen kann auch ein neues Naturverhältnis entstehen. In der Noogenese lernt der Mensch seine Beziehungen zur Natur vernünftig zu regeln (vgl. Kamschilow, S. 235). Dieses Konzept ist ein Vorläufer der Gaia-Theorie, bei der die Menschen aber nicht auf Gehirnfunktionen reduziert werden.

Angesichts der genannten Grundlagen einer von mir gewünschten nach-ökonomischen Gesellschaft kommen natürlich viele Einzelfragen danach, wie denn das konkret funktionieren solle... Einerseits kann ich es mir hier einfach machen und darauf verweisen, daß ich ja gerade KEIN Modell fabrizieren will, was für alle Gültigkeit besitzt, sondern dies den einzelnen Menschen in ihren Gemeinschaften überlassen will. Andererseits kann ich aber auch auf die Keime hindeuten, die bereits unübersehbar deutlich machen, daß diese Visionen durchaus schon als Leitbilder unser Handeln orientieren können.

 

Ansätze aus einer anderen Richtung

Es entwickeln sich neue dezentral-vernetzter Arbeitsformen (Arbeitsteilung), z.B. im Bereich der Integration von Unternehmens- und Marketingskommunikation, von verteilter Intelligenz in Forschung, Entwicklung, Planung und Produktion unter Nutzung des Internet und Extranets (Büro- ,.Steuerungs- und Managementsoftware etc...) (siehe z.B. Matthies, Peteler 1998). "Kundenindividuelle Massenproduktion" (Becker 1998) kann produktionstechnisch und -organisatorisch die Grundlage für neue Wirtschaftsmodelle sein.

"In virtuellen Unternehmen werden so eigentlich nur noch Informationen zusammengeführt und verkauft. wo die tatsächliche Leistungserstellung letztendlich im einzelnen stattfindet, wird sekundär. In letzter Konsequenz wird dies zu einer weitverzweigten, übernationalen, vielleicht sogar weltweiten Vernetzung der Wirtschaft führen, wobei dies wiederum als Vorstufe zu einer virtuellen Weltgesellschaft gesehen werden könnte (Bossiazk 1997). Derzeit werden diese Strukturen im Interesse der Profitmaximierung optimiert. Sie könnten ebensogut und besser ökologische und soziale Zusammenhänge und Bedürfnisse optimal kombinieren helfen.

Die Entwicklung des Internet (nach ihren Ursprüngen im Militär) kennzeichnet mit ihrer dezentralen, kooperativen und offenen Koordination ein neues Modell der Technik- und Standardentwicklung (Boorsok 1995; Hoffmann 1996; Dierkes, Marz 1998; Raymond 1998). Diese Eigenschaften tragen das Potential für eine tatsächliche "materiell-technisch-organisatorische Basis des Kommunismus" in sich.

Manche der Alternativansätze gehen sogar von weitsichtigen Unternehmern aus, die einerseits im Ökomarkt auch durchaus gewinnorientiert sind, manchmal aber auch bewußt versuchen, andere ökonomische Steuerungsprinzipien zu installieren (siehe z.B. bei Henderson, Lutz u.a.,).

Die wichtigsten Grundlagen für eine neuartige Lebens- und Wirtschaftsweise bestehen jedoch in den menschlichen Potentialen. Diese haben sich trotz millionenfachen Leids und Elends in den letzten Jahrzehnten insgesamt enorm verändert und auch erweitert. Zwar sind einige der hoffnungsvollen Untersuchungen auf diesem Gebiet recht esoterisch (Rasmussen 1996, Theobald 1997). Wie vielfältig diese neuen Bewußtseinsformen auch politisch wirksam werden, kann man heutzutage im Internet eindrucksvoll kennenlernen - und sich beteiligen.

 

 


- Aus dem Manuskript des zweiten Bandes zum Buch:
"Daß nichts bleibt, wie es ist..." - Perspektivenkapitel, Stand: Januar 1999 - Literaturangaben in diesem Buch -

 

 

Zu Perspektiven siehe auch:

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